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Nur keine neue Gräben – oder Mauern!

19.08.2021 Albert Leiser

Können Sie sich eine Stadt ohne Umland vorstellen? Oder eine Schweiz ohne Städte? Ich nicht. Das eine ohne das andere funktioniert nicht, beide sind auf vielerlei Arten aufeinander angewiesen.

In einer Zeit, in der Landesgrenzen an Bedeutung verlieren, Tausende ganz selbstverständlich Tag für Tag ins Ausland zur Arbeit fahren und wir die fernsten Strände und die exotischsten Landschaften als unser Erholungsgebiet betrachten, scheint es mir absurd, zwischen Stadt und Land Gräben ziehen zu wollen.

Es gab Zeiten, da suchten die Leute eher das, was sie sich unter Landleben vorstellten und zogen aufs Land. Dann wieder war es ‚in‘ in der Stadt zu wohnen. Jetzt gerade zieht es wegen Covid und den Möglichkeiten von homeoffice den einen oder anderen zurück aufs Land. Aber ob sie hier oder dort leben, letztlich bleiben sie dieselben. Dass im 19. Jahrhundert Schanzen und  Mauern der Stadt geschleift wurden, führte zu einer allmählichen Angleichung von Stadt und Land. Nach über 150 Jahren bleibt von den Unterschieden, wie es sie damals tatsächlich gegeben hatte, eigentlich nichts. 

Klar haben die beiden in vielen Belangen unterschiedliche Interessen. Es ist daher legitim, dass sie gelegentlich unterschiedlich stimmen. Es macht ja gerade das Wesen der Demokratie aus, dass man sich bei gegensätzlichen Ansichten soweit wie möglich zusammenrauft und am Ende die Mehrheit bestimmt. Ich glaube auch nicht, dass die Gegensätze zwischen Stadt und Land in ‚der guten alten Zeit‘ wirklich kleiner waren. Im Gegenteil, die Übergänge sind fliessender geworden. Die Städte fransen immer weiter ins Land aus. Viele, die sich keineswegs als ‚Landei‘ betrachten, wohnen recht entfernt in Vororten. Die neuen Wohnungen sind dort nicht anders als in der Stadt und renovierte Bauernhäuser leisten sich eher Städter als die ursprünglichen Dorfbewohner.   

Zu denken geben mir allerdings ideologische Strömungen, welche scheinbar vergessen, welches Entwicklungspotenzial die Städte durch die Sprengung der Stadtmauern gewannen. Alles, was wie neue - wenn auch unsichtbare – Stadtmauern wirken könnte, sollte im Keime erstickt werden. Dazu gehört für mich eine Verkehrspolitik, die ihre Tore am liebsten für den motorisierten Verkehr ganz schliessen würde und nur Velos Einlass gewähren würde.